Montag, 12. April 2004

Wie ein Kaninchen für sozialarbeiterische Reflexion sorgte

Letzte Woche wurde mir von einem Klient ein Küngel angeboten. Er (der Klient) rief an, nachdem er mir beim Erstgespräch von seinem Kaninchenstall und seiner Wachtelzucht erzählte, dass er soeben frisch gemetzget habe und er für mich ebenfalls ein Kaninchen in Einzelteile zerlegt habe. Um ihn nicht zu brüskieren entschied ich mich das Angebot anzunehmen, bestand jedoch darauf, es zu bezahlen. Ich solle doch am Feierabend bei ihm zuhause vorbeifahren und den Küngel holen. Bei Eintritt in die Wohnung wurde mir etwas mulmig, wobei ich nicht genau wusste, worauf das zurückzuführen war. War es die körperliche Grösse des Klienten? Ein fünfzigjähriger, alleinstehender Mann? Ich kannte den Mann noch nicht so gut. Die Anonymität des Hochhauses? Wir befanden uns im 4. Stock. Ich betrat die Wohnung, die Küche, hörte mir die Details des Metzgen an und allmähliche legte sich meine Unsicherheit. Erleichtert nahm ich den präparierten Hasen unter dem Arm, bedankte und verabschiedte mich. Erst draussen wurde mir so richtig bewusst, dass ich mich etwas fürchtete. Ich als junge Sozialarbeiterin, besuchte einen Klienten zuhause, was grundsätzlich viel zur Vertrauensbildung beitrug und ich ohne weiteres verantworten kann. Trotzdem überlegte ich mir, ob es fahrlässig gewesen war. Hätte ein Übergriff passieren können? Oder war meine Angst nur unverhältnismässig? War die kürzlich in den Medien erschienene Nachricht des erschossenen Sozialvorsteher noch zu präsent? lch kannte den Klient noch nicht besonders gut. Im Nachhinein schämte ich mich meiner Ängste wegen, da es der Mann mit seiner kleinen Kaninchenfarm von Herzen aufrichtig und gut gemeint hat. Das Kaninchen brachte ich meiner Mutter, welche sowohl eine grosse Kühltruhe als auch bessere Kochkünste aufweist!
Ich hatte noch nie so rasch ein Vertrauensverhältnis zu einem Klienten aufgebaut ...
ernestologo - 28. Apr, 23:15

dein artikel lässt mir ein schmunzeln über die wangen gleiten...

im strengen arbeitsalltag tut mir ein lüpfig leichter text wie dieser einer ist, mal einfach so richtig gut!
nicht immer das fachgefasel der sozies, sondern mal eine episode, die sich im leben zwischen menschen auf natürliche art und weise so ergiebt und zudem noch eine beziehungsbasis für die weitere zusammenarbeit schafft. eine begebenheit wird hier beschrieben, welche sich durchaus auch zwischen klient und sozialarbeiter abspielen darf.
bitte mehr von diesen alltäglichen und wertvollen anekdoten!

whynot - 4. Mai, 20:58

das macht es doch gerade aus ...

das macht doch gerade unsere Arbeit so besonders und spannend! Würde mich freuen, auch bei anderen an solchen Erlebnissen teilnehmen zu dürfen. Diese Rubrik richtet sich an alle in unserem Berufsfeld, soll eine Plattform bieten, einfach mal ein paar Gedanken, Frust und Freude niederzuschreiben und andere daran teilhaben zu lassen! Also, seid mutig und erzählt uns aus Eurem Alltag !

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